SVE/NO 08/2014



Schweden: Rogen/Helags & Norwegen:Jotunheimen 08/2014: Backofen mit Kühlfach

- Drei Touren in drei Klimazonen und dreimal Auto dazwischen -



Gut, wenn man Alternativen hat. Geplante wie spontane. Die geplanten sahen vor, dass ich aufgrund der üblen Erfahrungen des vergangenen Jahres (Tourabbruch nach drei Tagen wegen Wirbelverletzung) keine Strecke von A nach B über 10-12 Tage machen wollte, sondern mehrere Rundtouren von 2-4 Tagen von unterschiedlichem Charakter. Auch wenn ich sehr gut trainiert war, ab drei Wochen vor Tour mit 25 kg im Rucksack zur Arbeit lief und keinerlei Probleme hatte (und dann auch auf Tour keine bekam, yippie!), der Abbruch 2013 saß tief. Zumal ich ja wieder solo gehen wollte. So hätte ich für den Fall der Fälle immer einen exit, und viel Abwechslung obendrein.

Allerdings implizierte das, dass An-/Abreise zum ersten Mal mit dem Auto erfolgen würden, damit ich eben für den Fall der Fälle nicht aufwendig zurück (oder 10 Tage herumsitzen) müsste, sondern mich zum Straßen-Touristen downgraden könnte, was - wie die ungeplante Fahrt durch Norwegen dann zeigen sollte - nicht die schlechteste Sache ist.
Die Autoanfahrt sowie das bescheidene Zeitfenster bedeuteten: Lappland ganz oben kann es diesmal, nach acht Jahren in Folge, kaum werden. Aber wo kann ich fischen, durch nordisch anmutenden Wald und vor allem Fjäll wandern, so weit südlich wie möglich? Mal abgesehen von der Hardangervidda (wo es weder mit dem Wald noch mit dem Fischen so dolle ist), kam ich schnell auf die website des Gränslandet, ein Gebiet mit der Femundsmarka auf norwegischer und dem Rogen auf der schwedischen Seite, und, wenn alles körperlich gut ging, dem Helags- / sylarna-Massiv eine Stunde Fahrt oberhalb. Die Fiskekort erschwinglich, Seen ohne Ende, moderates auf-und-ab, dann und wann auch mal eine STF-Hütte. Perfekt. Dachte ich. Dazu später.

Fü das geplante Ziel gab es die Calazo Fjällkarta C06 (Härjedalsfjällen 1:100.000), die ab Grövelsjön bis knapp zum Helags-Hütte reichte und die ich - das ist mein Hobby die 350 Tage des Jahres, die ich nicht auf Tour kann - ab Mai mit knapp 100 waypoints versah (Quellen: kartor.eniro.se, kso2.lantmateriet.se, latlong.mellifica.se, Verarbeitung / Koordinatenrechnung mit transdat sowie SAS, Deklination: NOAA, Endgerät Garmin etrex H (das alte) ). Die Planerei und vor allem die Rechnerei macht mir einen Haufen Spass (ich habe ein Dutzend Touren derart auf Karte). Andere sprechen hier gerne von einer gewissen Zwanghaftigkeit der Vorbereitung auf den Meter genau, aber hey, that's me, und unterwegs schalte ich das GPS so gut wie nie ein.

Am Rogen allerdings fand ich das manchmal hilfreich, denn: aus der Luft (d.h. per google earth) kann man den genauen See ja fein per Umriss bestimmen, aber nicht auf dem Boden und bei dieser Vegetation. Es ist nämlich nicht in allen Seen das Fischen erlaubt, und da einige auch privat sind, wird in der Tat auch kontrolliert. So lohnte sich die Vorbereitung eben doch, auf Mikro-Ebene sozusagen.
Für den zweiten Abschnitt Helags-Sylarna-Valadalen verzichtete ich auf Papierkarte und versah die verfügbaren online-Karte selbst mit Orientierungs-Info (folgendes Bild). Solange das Gelände so beschaffen ist wie dort, reicht das allemal, selbst abseits der markierten Wege oder bei Nebel. Alle anderen meiner Karten haben natürlich einen Grid, aber die mit GPS-Waypoints veredelten Scans kommerzieller Karten kann ich hier aus den bekannten Gründen nicht einstellen.



Teil 1: Der Backofen


Nach 1600 km ereignisloser Fahrt ab Bremen kam ich dann gegen Mittag in Tännas an: in strömenden Regen. Im Fiskezentrum empfahl man mir gleich, die längere Route über die südlicheren Seen wie den Sicklingen bleiben zu lassen, weil da alles unter Wasser stehe. Es regne schon länger, werde aber nun besser. Das wollte ich hören. Also fuhr ich eine Schotterstraße, die meinem kleinen Swift nochmal alles abverlangte, auf den Parkplatz von Käringsjönvallen und lief noch ein paar km Richtung Östervingarna-See bis unterhalb N69.14 SWEREF um zu campieren. Nur: ich konnte auf der ganzen Strecke keinen Zeltplatz finden, alles entweder geröllig, heide-überwuchert-steinig oder gleich Moor (das waren die einzigen ebenen Flächen). Dass es um den Rogen herum felsig würde, war mir klar, die Blockfelder vor allem Richtung Femund sind bekannt, aber auch im kleinen war selbst für ein kleines Unna nichts zu machen. Das fing gut an. Dafür schien mal die Sonne (Bild). Am Ende landete ich wieder etwas über einen Kilometer vom Parkplatz entfernt an einem See-seitigen windshelter. Offensichtlich war ich da von Finnland her zu verwöhnt. Total verkokelt, das Innere sah aus wie ein Krater, immerhin ein Dach überm Kopf.

Erste Lernerfahrung: es ist keine gute Idee, direkt aus dem Auto heraus nach so langer Fahrt gleich unter Volllast laufen zu gehen: ich war fertig. Aber hey: ich war da, alle halbe Stunde sprang ein Fisch (ja!), kein Regen mehr, die erste Nacht in meinem neuen Cumulus Panyam 900 custom xxxxxl (auch wenn man den heute wegen der merkwürdig hohen Temparaturen nur als Decke gebrauchen konnte). Morgen sollte es richtig losgehen; Richtung Rogenstuga. Der Plan war, ab dort die vielen Windungen und Landzungen zwischen Käringsjön und Rödsjön abzulaufen um zu fischen, und dann parallel dazu ab Länge Skedbrostugan dem Mysklan zurück nach Tännas zu folgen. Sollte ich nun gar nichts fangen, wäre die Alternative dem Kungsleden nach Norden bis Tänndalen zu folgen und abschließend im Svänsjön oder Bolagen zu fischen.

Soweit der Plan.


Ich fahre seit 10 Jahren in den Norden. Weil ich die Landschaft mag, die Abgeschiedenheit, aber auch die paar Leute die man trifft. Insbesondere mag ich das Klima. Ich bin kein Sommertyp, der Hitze mag und allzuviel Sonne, was auch meinen Körperdimensionen geschuldet sein dürfte. Ende August bis Anfang Oktober deutlich nördlich des Polarkreis: meine Zeit am rechten Ort. Dieses Jahr konnte ich mir meine Tourzeit nicht aussuchen. Hier nun, Kollegen, und heute, habe ich genauso viel Grad Celsius wie Kilo auf dem Rücken: 25. Klar habe ich die Wettervorhersagen für die Region seit langem verfolgt, und die dicken Fleece-Sachen zuhause gelassen (oder zumindest im Auto, man weiß ja nie). Aber 25 Grad? Mit Rucksack und in einem Gelände, das dich auf Steinen und über Wurzeln ständig hoch und runter treibt? Ich laufe sehr sehr langsam, und bin dankbar für die kleinste Wolke. Sollte es hier nicht wenigstens ordentlich blasen? Die Luft steht. Die Lust fällt.




Ich komme kaum voran, weil ich an jedem Stück Wasser pausiere. Trinken, trinken, trinken. Um das Risiko bei stehenden Gewässern und Wärme zu minimieren, habe ich mir die Zwei-Lösungen-Aquamira-Desinfektion mitgenommen. Das werden einige wieder paranoid finden, aber seit ich mich vor zwei Jahren fröhlich aus dem Bach erfrischte und dann 100 Meter oberhalb ein totes Ren halb im Wasser lag, mache ich das so. Bisher via MSR Miniworks, aber ich hatte dieses Jahr ja einen kleineren Rucksack besorgt, um leichter zu werden (so per normativer Kraft des Faktischen: ein 90L-Bach Classic statt eines 125-Liter Bach BM-3). Also Chemie. Nach den 30 Minuten Einwirkzeit habe ich getrunken, und nach 60 Minuten Einwirkzeit in mir habe ich mich übergeben. Ich war, sagen wir, "mit der Gesamtsituation unzufrieden": zu warm, schwitzen, kotzen. Als experimentell veranlagter Wissenschaftler habe ich den Versuch natürlich später zuhause wiederholt: längere Einwirkzeit (bei mir), aber gleiches Ergebnis. Also nichts für mich. Hier und jetzt damit künftig pur. Den Hut ins Wasser und auf den Kopf.

Da ich mir nun an jedem See Zeit nahm, und nehmen musste, weil ich wegen der "Gesamtsituation" schon nach drei Stunden schwer am Pumpen war, ließ zumindest der Erfolg beim Fischen nicht lange auf sich warten ("Harr" ich sage mal: Äsche).


Hier sieht man die freundlichen Wegstrecken, wenn man längs zur Ridge laufen darf, oder eben auf ihr, statt quer ständig hoch und runter. Je näher man dem Ufer des Rogen kam, desto mehr freundliche Abschnitte.



Trotzdem habe ich, die Angelzeit herausgenommen, unglaubliche 5 Stunden für die 12 km bis zur Rogenstuga gebraucht. Nur: da war niemand. Außer dem Hüttenwart. Hütte leer, Zeltareal leer. Gefragt warum, sagte der: it's too warm. Nein. Er merkte, das ich am Schwanken war, brachte mir sofort Wasser und murmelte etwas von "solsting". Das Thermometer an der Rückseite des Hauptgebäudes zeigte 24 Grad. Endstation. Ich baute mein Zelt auf - es gab eingeebnete Plätze 200 Meter weg von den Gebäuden dafür, mit Aussicht auf See und Rene (Bild). - und wollte mich, vor dem Abendessen am hoffentlich kühleren Abend, nur so'n bisschen hinlegen. Es war 17:30 Uhr. Aufgewacht bin ich dann am nächsten Morgen um 08:00.



Am nächten Morgen: bedeckt und trocken. Danke. Der Rogen liegt still da. Ich entscheide, erstmal das Zelt stehen zu lassen, sehr ausgiebig zu frühstücken, und dann - das fällt mir nervlich angesichts der Quälerei gestern schwer - den Weg nun ohne Gepäck ein Stück zurück zu laufen, um den Vormittag "unbeschwert" fischen zu gehen.


Im bewegten Wasser ist deutlich mehr los (Äsche, Barsch, und etwas was ich nicht bestimmen kann, aber was gut schmeckt :-)). Mit der Fliege am dartcaster komme ich nicht weit - was an meiner Unfähigkeit und/oder Ungeduld liegt - mit dem kleinen Spinner läuft die Sache sehr viel besser.



Weitere Bilder aus dem Rogen NP




Teil 2: Raus aus dem Backofen


Gegen Mittag wurde es wieder heiß, und mir wurde klar, dass ich hier keinen Spass haben würde, sobald ich den Rucksack auf hatte. Spass haben aber Zweck der Übung, oder sagen wir: mindestens mal keinen vermeidbaren Stress. An Gewicht vermeidbar wäre Proviant (8 Tage bei), der Angelkram, das Tarp als Vorzelt zum Unna (was bei Dauerregen allerdings ein Segen ist) samt entsprechenden Häringen und paar Luxusgüter, die ich mir für die als "locker" geplante Seen-Strecke gegönnt hatte. Fazit: ich brauchte ein anderes Ziel, wofür ich auf diesen Kram verzichten konnte und das meinem Skandinavienbild klimatisch eher entsprach.

Also baute ich ab und lief direkt nach Karingsjön (3.5h), wo ich einen Lift nach Karingsjönvallen bekam. 2.5 Tage Fischen am Rogen waren nicht geplant, aber eindeutig genug unter den Bedingungen, und ich hatte ja noch Plan B. Aufgrund des Tips eines sehr netten Schweden, der mich später noch zum Essen zu seine Familie einlud (Salat mit Fleisch und Garnelen, oh Mann!), konnte ich im Umkleide-Unterstand des lokalen Badesees nächtigen, nicht ohne vorher mal kräftig zu baden.

Es regnete, aber das war mir egal: ich wollte zum Helags. Das Navi zeigte mir 220km an, was ich nicht glauben konnte, da die Papierkarte eine Straße direkt von Funäsdalen nach Ljungdalen/Kläppen (ca 40km) zeigte. Nun ja, Straße. Ich verstehe die Leute von Garmin, dem verwöhnten deutschen Autofahrer war der Umweg um das Fjäll herum wohl besser zu vermitteln als die Lochpiste mitten darüber. Freundlicherweise waren rote Fähnchen in den Schlaglöcher mit letaler Tiefe. Die Landschaft war grandios. Die lange-gute und die kurze-aber- aufregende Strecke trafen sich in Ljungdalen, und um 10:00 Uhr morgens stand ich auf dem Parkplatz in Kläppen und schob die VISA-Karte in den Gebührenautomaten: die gibt's auch meilenweit in der Natur.

Ah, diese Luft, diese Temperatur, 15 Grad sind schon besser, und gut Wind. Man fängt ja schon bei 800 Meter Höhe an. Sehr schön. Ärgerte ich mich nun jetzt über die letzten drei Tage im Backofen? Nein. Das war der Plan, und der Plan war flexibel. Daher zwei Karten mit zwei Touren. Und ein Auto. Ich war zudem erfolgreich fischen, und weiß nun aus erster Hand, dass der Rogen ein Paradies für Kanuten/Paddler ist, aber für schwerere Leute wie mich zu Fuss halt nicht so geeignet (oder wieder im September/Oktober).

Nach kurzem Abschnitt mit Bewaldung durchs Kesuvallen erreicht man schnell die Baumgrenze und ist im Fjäll. Was soll ich da noch kommentieren. Herrrrrlich. Mal Sonne, mal Wolken, immer Wind, ständig klares kaltes Wasser, und ein Weg, für den man keine Karte bräuchte.



Gut, es wurde auch mal feucht, aber das willst du doch so wenn du hier her fährst.



Der erste Zipfel vom Helags-Gletscher kommt in Sicht. Also nicht mehr weit zur Fjällstation. Es wird auch kühler, man kommt durch den Anstieg von 12 km kaum merklich, aber stetig in die Höhe.



Auf über 1000 Meter.



Die Station ist gleich erreicht, und ich bin überrascht von der Größe und dem schieren Luxus. Das kannte ich so noch nicht. Bett und Essen waren mir klar zu teuer, also stellte ich abseits das Zelt auf und kam mit der Gebür für die Einrichtungen davon (Dusche, Sauna, Wasch- und Trockenraum). So kann der Tag ein Ende haben. Es waren nur fünf Zelte in der Umgebung zu sehen, die Gebäude aber waren komplett voll. Der Sport besteht wohl darin, mit minimalem daypack hier hoch zu laufen, abends zu feiern und am nächsten Morgen wieder hinunter gehen, so war das am folgenden Tag gut zu erkennen. Nur eine Minderheit machte sich auf nach Gasen oder Sylarna. Heute war die erste Nacht, in der ich mich sinnhaft an meinem Cumulus erfreuen durfte und ihn auch geschlossen hatte. Kondensprobleme gab es angesichts des sehr starken Windes nicht.



Ich entschied mich für die kurze Variante nach Ljungan, statt über Gasen zur Valadalenstuga und von dort aus nach Ljungris zu gehen. Das würde ich später ein wenig bereuen, da der Weg herrlich war und körperlich wider Erwarten alles toll lief. Es lief. Ich lief. Wie man sieht, geht es direkt ab Helags FJS erst mal kräftig aufwärts. Man hatte aus dieser Perspektive das Gefühl von himmelwärts.



Aus der Ferne: da hinten geht's hin



Aus der Nähe, und mit Gesellschaft.



Blick zurück zum Helags



Es gibt nichts zu sagen. Ich könnte ewig so weiter gehen, und schieße einen Haufen Bilder, die für den unbedarften Betrachter alle gleich aussehen, und mich - jedes einzelne davon - in Begeisterung versetzen, nicht in eine sensationelle, aufgeregte, sondern eine stille, lächelnde, zufriedene, be-friedende, be-friedigende Begeisterung. Genau dafür war ich hergekommen. Das ist es.



Wohin, wohin? Mitten im Nichts steht der Ljungan windshelter wie eine Art Verkehrsknotenpunkt auf halbem Weg nach überall hin, die meisten laufen Helags-Valadalen oder Lungris-Valadalen (so wie das Paar, das hier neben mir übernachtet, mehr werden es nicht). Ich denke mal, man muss sich anstrengen um sich hier wirklich böse zu verlaufen.

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Die Entdeckung der Tour ist der hier zu sehende Trangia triangle. Passt sowohl für den Spiritus-Standardbrenner als auch führ den Gaseinsatz (ich hatte unnötigerweise beide dabei), unfassbar winzig zerlegbar, sofort wieder abgekühlt. Ich frage mich ernsthaft, warum man das ganze Standardset überhaupt noch mitnehmen sollte (es sei den im echt kalt-stürmischen Winter natürlich) angesichts der Volumendifferenz. Ein Superklasse-Teil.

So endet der Tag, mit den Beinen aus dem Zelt liegend Landschafts-Fernsehen. Ich bin völlig ruhig und zufrieden.



Und ja, ich liege tatsächlich so da, bis es dann so aussieht:



Mein künftiger zweiter Wohnsitz (Lungrisdalen).



Weitere Bilder aus der Helags-Region




Mein Künftiger Wohnsitz (Bild oben) liegt schon an der Piste hinter Ljungris, es war noch eine gute Stunde bis Kläppen. Da stand ich dann gegen Mittag, und weil es mir echt gut ging und alles gehalten hat, setzte wie mal wieder der Größenwahn bei mir ein: ich fühlte mich zu "HÖHEREM" berufen und beschloss über Röros nach Jotunheimen zu fahren. Das bedeutete nochmal 10 Grad Celsius nach unten und statt Rückfahrt über gleiche Strecke eine erheblich erlebnisreichere Route. Also auf nach Norge.



Teil 3: Kühlfach

Auf dem Weg nach Jotunheimen hatte ich Gelegenheit durch Dovrefjell und Rondane zu fahren. Ich bin hier zwar nicht gelaufen, habe aber ein paar Bilder gemacht. Die Gegend steht nun ganz oben auf meiner Liste für die kommenden Jahre.









Spätabends erreichte ich Boverdal an der Abzweigung zur privaten (=kostenpflichtigen, VISA-Karte) Straße hoch zur Juvasshytta (1841m) und übernachtete am Ufer der Leira. Schon die Auffahrt zur Hütte ist spektakulär, da man sich immerhin 1200 Höhenmeter hochschraubt, z.T im 2. Gang. Das Wetter variierte zwischen Sonne, Wolken, Regen und später Schnee. Für einen Flachland-Bewohner wie mich ein Erlebnis.


An der Juvasshytta war gut Betrieb, jede Menge Autos, starker Wind. Ich fragte die junge Dame an der Rezeption nach dem optimalen Weg auf den Gipfel des Galdhöpiggen und registrierte mit Unbehagen, wie sie mich mit unverhohlenem Zweifel im Blick musterte.

"You're alone? You know there's a glacier crossing? We've got fog and freezing rain in strong winds. There are climbing passages. You have done this before?" Hm, nicht wirklich. War das Sorge/Warnung oder Verkaufsgespräch. Hat jedenfalls gewirkt. "There's a guided tour going up at ten, with harness and ropes included. You want a ticket?"

Yes, I do, dachte ich. Von der anderen Seite, ab Spliterstulen, gab es einen markierten Weg ohne Gletscher (na gut, am Rand ein bisschen, laut Karte), aber da läuft man bei 1104 Meter los und hat 1365 Höhenmeter zu Fuss, wobei der Weg auf Karte die Höhenlinien auf 3/4 der Strecke senkrecht schnitt. Sooo groß war der Größenwahn dann doch nicht.



Nach kurzer Sicherheitseinweisung und Anlegen des Geschirrs für die Seilsicherung am Gletscher setzte man sich in Bewegung über das Geröllfeld. Jeder Schritt eine Einladung sich den Fuss zu brechen, aber ohne Rucksack war es eine schöne Hüpferei bis zum ersten Altschneefeld (Bild oben, im Hintergrund der Gletscher), und nach 1.5 Stunden stand ich dann zum ersten Mal auf Eis (Bild unten). Die Perspektive zeigt: jetzt geht es richtig aufwärts



Zu meiner Überraschung stellte sich der Guide meiner Gruppe als "echter" Sherpa mit Namen Dawa Sherpa aus Nepal heraus. Meine Güte, bin ich in Fernsehen? Er war der knappen Handvoll englisch-sprechender Teilnehmern zugewiesen. Nach kurzer Musterung entschied er, dass ich ganz vorne am Seil gehen sollte, direkt bei ihm. Hm!?

Gedankenspiel: was bedeutet das (ich hatte ja keine Ahnung von technischen Dingen am Berg). Option 1: Wenn ich Brocken falle, braucht es die Gruppe um mich zu halten. Option 2: Hält der Grund bei mir Brocken, hält er auch bei den anderen, also vor mit den schweren Kerlen. Option 3: Du siehst so aus als hättest du keine Ahnung und bewegst dich klobig, dich behalt ich besser im Auge, also lauf direkt mit mir.

Alles Unsinn (außer Option 3 womöglich), denn weder war das sonderlich steil noch im Entferntesten brüchig oder mit Spalten versehen. Da laufen eine Menge Leute hoch und runter jeden Tag. und, wie ich später merkte, auch ohne feste Gruppe, allerdings in keinem Fall ganz solo.

Ach Leute, mir war's recht. Ich war völlig gefangen von der Landschaft, und als völliges greenhorn hatte ich nicht zu befinden, was gut und richtig und wichtig war und was Übertreibung für den gesteigerten Erlebniswert von Touristen. Ich war ja einer. Also eingeklinkt und los.



Nach der Gletscherquerung änderte sich die Sache gewaltig. Es ging nun steil aufwärts über (nach meinem Empfinden) recht loses Geröll: ich musste öfter mal die Hände zu Hilfe nehmen und kam recht schnell ins Pumpen.

Der Guide spielt Verstecken:



Zu meiner großen Überraschung wurde jetzt "Seil ab" angesagt. Bitte ?? Ich meine, auf dem Gletscher war das ein problemloses Gehen gewesen, hier rutschte man ständig weg, das Geröll war zunehmend mit Schnee bedeckt, es wurde neblig. Hallo, hier stellte ich mir vor, dass man Sicherung bräuchte, oder ? Offensichtlich war ich der Einzige mit Sorge, die anderen sprangen fröhlich weiter. OK, ich habe keine Ahnung was so üblich ist. Also bin ich der freak, gut, geh weiter, du bist eh so langsam, du Brocken. Wie steil das links und rechts neben dem Kamm abwärts ging, sieht man hier gut:

Gute Güte, drei Meter neben mit geht es fast senkrecht abwärts. Eine nette Mischung aus Faszination und Angst. Worüber ich wirklich nachdachte: hoch ist das zwar anstrengend, aber nach vorne kontrollierbar (Trittfestigkeit, etc.), aber was ist mit runter über nasse / schneebedeckte Steine. Wie geht das denn?

Und es zoooog sich. Also, das alpine (nennt man das so?), so mit Steigung dieser Art auf Dauer, ist nicht meins. Die "Hügel" bei Tour II oder das Gehen unter Last den gesamten Tag lang wie sonst in Finnland, auch mal 25+ km: dafür bin ich klar besser gebaut. Gewicht macht mir sonst nichts, aber hier hatte ich schon mit meinem zu kämpfen.

"long to the top?" - "Not really" - "But you're positive there is a top?" - "Maybe ...". Dawa Sherpa war zu Scherzen aufgelegt. Es hatte etwas gleichermaßen Bewundernswertes wie Demütigendes, wie der Mann fröhlich pfeifend scheinbar schwerelos den Hang hinauf tänzelte. Schwitzte der überhaupt ? Wir hatten jetzt Minusgrade. Als ich oben ankam, war mir schwindlig.



20 Minuten Pause an der Gipfelhütte. Da oben bekam man sogar einen Kaffee. Ich brauchte keinen, mein Kreislauf war aktiv genug. Ich nutzte den Vorraum, um die völlig nassen Sachen vom Köper zu kriegen, trockene anzuziehen in der Annahme, dass es bergab nicht so anstrengend würde, und nahm einen powerbar zu mir. Im ersten Abschnitt hinunter war ich oft Füsse-voran auf allen Vieren unterwegs, und halbwegs zufrieden, dass ich nicht der freak war und das die Mehrheit auch so machte.

Den Gletscher abwärts ging es wieder am Seil, Zeit für viele Fotos, die mit ruhigem Atem nun nicht mehr verwackelt waren. Als ich nach 6 Stunden wieder die ganz langsam absteigende und zu Fuss praktisch eben erscheinende Passage hinter dem Schneefeld erreichte (folgendes Bild), war ich ebenso fertig wie zufrieden. Nach 7 Stunden stand ich wieder bei der Juvasshytta und nutzte den Trockenraum.

Nun, die Bergtourspezialisten im ODS dürfen nun gerne lächeln, für mich war das ein einmaliges Erlebnis. Ich fuhr den ganzen Berg wieder hinunter und übernachtete auf einem Parkplatz 30 km weiter im Leirdalen.




Weitere Bilder aus der Galdhöpiggen-Region





Den Folgenden Tag trat ich die lange Heimfahrt an, gleich am Anfang unterbrochen durch kleine Wanderungen im Sognefjellet, wo diese Bilder entstanden. So kann man auch reisen: 2 h fahren, 2 Stunden laufen. Ich hatte es ja nicht eilig.



Nach einer sehr frischen Nacht ging es dann frühmorgens durchgehend Richtung Oslo und Göteborg, wo ich mir die Fähre nach Frederikshaven / Dänemark gönnte. Der letzte Plan war nämlich, an der Westküste im Norden Dänemarks die Tour mit zwei Strandtagen ausklingen zu lassen. Ich erreichte gegen 20:30 Uhr den Ort Lokken, den mir zwei Dänen auf o.a. Parkplatz im Leirdalen empfohlen hatten und campierte direkt am Strand.




In der Nacht find es an sehr heftig zu regnen, so dass ich den ganzen Tag weiterfuhr, immer die Küste lang in der Hoffnung, doch noch irgendwo einen Strand in besserem Wetter zu erwischen. Schließlich landete ich in St. Peter-Ording, wo mir die Menschenmassen aber recht schnell die Lust nahmen. Noch in der Nacht kam zuhause in Bremen an.


Fazit:
Tour I am Rogen war durchwachsen, gute Fischerei, wenig Spass beim Laufen, einfach viel zu warm. Hier kann perfekt Kanu fahren, und da ich nur ganz wenige Menschen per pedes traf (u.a. ein Paar aus Verden bei Bremen), taten das wohl auch die meisten (viele Bootsträger auf den Autodächern).

Tour II zeigte mir wieder, was es für mich ist und wo ich hin will, das war der Genuss. Vielleicht kommt eine ganze Tour in der Gegend in Frage, von oben ab Storulvan kommend, Sylarna, Gasen, Stensdalen, über das Valadalen hinaus bis zur Anarisstugan und weiter. Hätte ich vielleicht gleich machen können, wenn ich schon mal da bin. Aber so ist das mit Plänen, und dann hätte ich sicher Jotunheimen verpasst.

Tour III, na ja was heißt schon Tour, die ungeplante Galdhöpiggen-Erfahrung war klasse, aber für mich in doppelter Wortbedeutung einmalig. "Echte" Berge sind meine Sache nicht. Dann lieber am Fuss der Berge herumstromern wie im Sognefjell, das ist eher meine Liga.

Die Durchfahrt durch Dovrefjell/Rondane markiert zwei weitere künftige Ziele. Es war das erste Mal keine Streckenwanderung in einem festen Gebiet, und auch das fand ich klasse.

Ich bin zufrieden. Nächstes Jahr heißt nächste Tour. HCW